Ein bisschen Kreuzberg ist überall

Volksbegehren "Energieversorgung in Bürgerhand""Ich muss zugeben, ich hatte heimliche Zweifel. War ich wirklich noch immer durch und durch Kreuzbergerin? Hatte ich noch das Eigensinnige, Rebellische, Unangepasste, was echte Kreuzberger auszeichnet?

Ja, ich habe noch!

Wieso eigentlich die Zweifel? Weil das Kind die Schule gewechselt hat. Die Kreuzberger Schule, die anfangs so angezweifelt wurde und deshalb durchgesetzt werden musste. Von der Kreuzberger Grundschule hat es jetzt an eine Privatschule in Mitte gewechselt. Eine von Gerald Hüther empfohlene Schule. Eine von den Schulen, an die alle wollen. Wir haben es geschafft. Keine Ahnung warum, aber die Wahl fiel auf unser Kind. Und jetzt geht das überzeugte Kreuzberger Kind an eine Privatschule in Mitte. Totale Gentrifizierungsscheiße. Glaubt man. In Wirklichkeit ist es aber so, dass jegliches Rebellische an der Kreuzberger Schule sich im ewigen Streik der angestellten Lehrer erschöpft. Mag der Rektor noch so ein widerspenstiger Kreuzberger sein, der mit langem Zottelhaar stur in seinem Büro raucht, dass es über den Schulflur stinkt, Rauchverbot hin oder her, Einfluss auf seine Lehrer hat er nicht. Das ist so in öffentlichen Schulen. Lehrer, vor allem verbeamtete, können tun und vor allem lassen, was sie wollen. Der Rektor kann höchstens „von Kollege zu Kollege“ mit ihnen „sprechen“, z.B. ob auch in einer Vertretungsstunde ein bisschen Unterricht möglich wäre. Aber da ziehen harmoniesüchtige Eltern die Notbremse. Schließlich will man niemanden gegen sich aufbringen, verärgern, aus dem inneren Gleichgewicht werfen. Keinesfalls! Es könnte ja hintenrum wieder schaden und bringen wird es doch auch nichts. Man könne ja doch nichts ändern, sind sie überzeugt. Und so verlottert der Laden und wahre Rebellen wandern Wattebäuschen werfend nach Mitte ab. In die Reformschule. Zweifelnd immerhin.

Die letzten Zweifel verrauchen allerdings beim Volksentscheid „Energieversorgung gehört in die öffentliche Hand„.

Hier sind die Fronten total klar:

  • Finanzielles Risiko für armes Berlin   vs.   Über essentielle Ressourcen selbst bestimmen
  • Finanzielles Risiko für armes Berlin   vs.   Vattenfall verdient sich dumm und blöd (mit dem Quasimonopol aus Stromversorger und Netzbetreiber, was eigentlich verboten ist…)
  • Aber Vattenfall macht das doch so gut    vs.   Andere Kommunen beweisen mit ihren eigenen Stadtwerken (z.B. München), das man das auch ganz gut selbst machen kann
  • Die Bürgerbeteiligung im Aufsichtsrat birgt das Risiko von unwirtschaftlichen Entscheidungen   vs.   Gerade in Berlin sollten die Politiker ganz in sich gekehrt sein, wenn es um unwirtschaftliche Entscheidungen geht.
  • Aber der Senat hat doch jetzt gerade ein Gesetz zur Gründung eines eigenen Stadtwerks verabschiedet   vs.   Das vom Senat geplante Bonsai-Stadtwerk ohne Bürgerbeteiligung ist eine reine Alibi-Veranstaltung, die beweisen soll, dass es nicht funktionieren kann.

So, die Nackenhaare sind aufgerichtet, der Volksentscheid am Sonntag, 3. November kann kommen. Kreuzberg erhebe dich!
Da fällt mir ein, dass bestimmt auch Neuköllner, Weddinger, womöglich Kaulsdorfer und gar auch ein paar Reinickendorfer für ein eigenes Stadtwerk sein könnten. Sogar die Mitte-Privatschuleltern könnten das gut finden. Und die wahren Rebellen sind sowieso aus Schönau.

Einigen wir uns darauf, ein bisschen Kreuzberg ist überall – und das ist gut so!

Eine Antwort zu “Ein bisschen Kreuzberg ist überall

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