Das Leben ist wie vier Pralinenschachteln

Man beachte das 12 €-Collier mit der Lakritzschnecke„Spinnst du“, kreische ich, „das klappt doch nie!“ C. sieht mich milde an, während ich aufgeregt mit dem fremden Ausweis herumwedle, mit dem ich mir jetzt gleich Eintritt zum Bundespresseball verschaffen soll. Vor vier Stunden habe ich erfahren, dass ich mitkommen muss, weil von der eigentlichen Begleitung nur noch der Ausweis übrig ist. Wie? Ach so, nein, der Rest liegt krank im Bett. Ich dagegen bin fit, trage ein schlichtes Cocktailkleid und ein 12 €-Collier mit einer Lakritzschnecke aus Kunstharz. Ready for Bundespresseball! Wäre da nicht das inkriminierende Ausweisbild einer kurzhaarigen, dunkeläugigen Frau, mindestens 10 Jahre älter als ich…

Am InterConti warten schon Pagen mit Regenschirmen auf uns. Der Taxifahrer hält umsichtigerweise in einer Riesenpfütze. „Nimm den ganz rechts, da ist es dunkler“, raunt mir C. zu, nachdem wir das biblische Pfützenmeer erfolgreich geteilt haben. Während ich mich nach einem strahlenden „Hallo“ ausgiebig mit der geliehenen Minihandtasche beschäftige, starrt der Kontrolleur ungläubig auf den Ausweis. Ich kann seine Zweifel geradezu riechen. Sie riechen nach nassem Hund. Am Ende entscheidet er sich gegen die hysterische Diskussion über alte Ausweisbilder und Schönheitsoperationen und lässt mich rein. Brav.

Drinnen ein Rausch aus verschiedenen Buffets (Ich esse zum ersten Mal israelisch.), Bars (Champagner oder Cocktails?), Polit- und Medienpromis in oscarreifen Abendroben (von der Leyen, Gauck oder Deppendorf?), Sponsorenangeboten (Gleich den neuen Mercedes kaufen oder sich erst mit AmWay-Produkten (Putzmittel?!) aufbrezeln lassen?) und Dancefloors (Paartanz zur Big Band, zu Gianna Nannini abhotten (nö, oder?) oder mit den Goodfellas und hochgerafftem Abendkleid die All Time Favourites abfeiern? Das geht).

Der Höhepunkt des Abends war wahrscheinlich Matthias Matusseks Hand auf meiner Taille. Übrigens don’t call him Butterblümchen!!! Oder wenn ich es mir recht überlege vielleicht der ziemlich lange Moment, in dem ich leicht alkoholemotionalisiert meinen sämtlichen Verwandten im In- und Ausland überschwängliche Gratispostkarten schrieb und der Mann der DHL-Pressefrau mir dazu geduldig und freundlich die Adressen heraussuchte. Vielleicht war es auch der Moment, als der Limousinen-Chaffeur mir aus Mitleid über mein hartes Autoschicksal gleich vier Pralinenschachteln schenkte. Zuvor hatte er mir erzählt, dass das Luxusgefährt, dass uns gerade für lau heimbringt (ja, auch das wird gesponsert!) und in dem C. gerade neben mir eingeschlafen ist, rund 150.ooo € kostet. Allein die Anlage ist doppelt so teuer, wie unser Gebrauchtwagen vor 6 Jahren war. Inzwischen ist er wahrscheinlich nur noch so viel wert wie der Aschenbecher…

C. kriegt vor ihrer Haustür auf die Frage, was er, der Chauffeur, denn so verdiene, übrigens die Antwort: „Kommt auf das Trinkgeld an“. Tja, das Beste oder nichts!

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